Gespräch mit Antje von Dewitz, Vaude – veröffentlicht in der „Wirtschaft in Baden-Württemberg“ im September 2018

Nach landläufiger Meinung geht nachhaltige Unternehmensführung nicht mit wirtschaftlichem Erfolg zusammen. Das Outdoor-Unternehmen Vaude aus Tettnang ist ein Beispiel dafür, dass Unternehmen gerade im Einklang mit Mensch und Natur im harten Verdrängungswettbewerb am besten bestehen. Isabell Sprenger hat dazu ein Gespräch mit Antje von Dewitz, der Geschäftsführerin von Vaude geführt.

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Immer noch gilt Nachhaltigkeit als ein vorwiegend moralischer Aspekt der Unternehmensführung. Verantwortliches Handeln ist zwar anerkannt wichtig, aber es hält sich die Ansicht, das sei ein Luxus, den man sich leisten können muss. Neu­erdings sind kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtet, über ihre sogenannten nichtfinanziellen Leistungen jährlich zu berichten.

Damit ist der Nachweis von nachhaltiger Unternehmensführung  zu einer weiteren Compliance-Anforderung geworden. Die Berichtspflicht betrifft derzeit jedoch nur große Aktiengesellschaften sowie Banken und Versicherungen. Doch gerade Mittelständler, die das Gesetz bisher ausnimmt, werden häufig zu wenig aufmerksam auf die Gefahren und vor allem auch auf die Chancen, die sich aus wachsenden globalen Herausforderungen ergeben. Experten sind sich einig: Die Beachtung der Prinzipien der Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette zählt neben der Digitalisierung zu den Erfolgsfaktoren für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Und sie rechnet sich. Längst gibt es Beispiele von Firmen, die anstelle eines „Weiter-so“ ihre Lieferkette und ihre Produkte unter die Lupe genommen und neue, erfolgreiche Lösungen gefunden haben.

So wie der Wanderausstatter Vaude aus Tettnang, der sich im hart umkämpften Outdoor-Markt erstaunlich gut behauptet: „Wir haben uns dazu entschieden, das Thema komplett ins unternehmerische Tun und den Arbeitsalltag zu verankern. Weil wir die Hoffnung hatten, dass wir daraus intern Kraft schöpfen werden – und unsere Marke das nach außen strahlt und damit ein Weg gefunden ist, der sich auch wirtschaftlich lohnt“, so Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von Vaude.

Das Konzept ging auf, Vaude wuchs trotz harten Verdrängungswettbewerbs in den vergangenen Jahren umsatzmäßig über Durchschnitt. Kaufentscheidungen werden heute zu rund 70 Prozent davon beeinflusst, wie fair und nachhaltig ein Produkt ist. Gilt ein Unternehmen als authentisch und vertrauenswürdig, spielt das für Verbraucher eine Rolle: „Die Kunden von heute sind sich bewusst, dass sie über ihren Konsum Einfluss nehmen, entweder in eine gute oder schlechte Richtung. Das Interesse daran wächst immer stärker“, meint Antje von Dewitz. Neben Funktionalität, Modefaktor und Preis sieht sie die nachhaltige Herstellung ihrer Produkte im Reigen der Verkaufsargumente auf gleichwertiger Ebene.

Bei all der Komplexität des Themas Nachhaltigkeit gibt es einige Grund­prinzipien, die als Richtschnur für nachhaltige Unternehmen dienen – beispielsweise nachwachsende Rohstoffe anstelle von fossilen Energieträgern zu verwenden. Strom etwa sollte aus erneuerbaren Quellen stammen. Schwieriger wird es, die wegen ihrer technischen Eigenschaften wie Formbarkeit und Bruchfestigkeit vielfach eingesetzten Kunststoffe zu ersetzen.
Sie basieren auf Erdöl und sind durch die gewaltigen Müllmengen, die sie hinterlassen, und den Abrieb von Mikroplastik kritisch zu sehen. Vaude hat für dieses Problem erste Lösungen und fertigt Reißverschlüsse, Rucksäcke und Schnallen aus Kunststoff auf der Basis von Rizinusöl. Die Pflanze wächst auf kargem Boden, der landwirtschaftlich nicht nutzbar wäre. Auch mit dem Abrieb von Mikroplastik wollte sich das Tettnanger Unternehmen nicht mehr abfinden und hat mit Kooperationspartnern einen Stoff auf der Basis von Holzfasern entwickelt, dessen Fasern biologisch abbaubar sind. Derartige Umstellungen erfolgen meist nicht über Nacht. Für eine nachhaltige Unternehmensführung braucht man die Überzeugung, dass dies der richtige Weg in die Zukunft ist. Und den Mut für erste Schritte.

Nachhaltigkeit macht aber auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn: Ressourcen werden teurer, Gesetze und Auflagen schränken ihre Nutzung ein. Banken werden bald schon Kriterien der Nachhaltigkeit in Kreditanträgen berücksichtigen.

Innovationsprojekte für alternative Lösungen werden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und zum Teil sogar gefördert. Bei Vaude hat sich geradezu ein Innovationsklima etabliert: „Wir sind ständig dabei, neue Lösungen zu suchen. Das heißt, Nachhaltigkeit ist für uns zu einem Innovationstreiber geworden. Wir haben eine Kultur des sich immer wieder neu Ausrichtens. Das macht ein Unternehmen unglaublich zukunftsfähig“, so Antje von Dewitz. Dass sie kaum Probleme hat, Fachkräfte zu finden, versteht sich fast von selbst: „Was wir bieten, ist Arbeiten mit Sinn. Diese Haltung setzt intern besondere Motivation und Energien frei.“

Wer sich also heute aufmacht, künftig saubere, nicht natur- und klimaschädliche Produkte anzubieten und die Achtung von sozialen Aspekten im Blick hat, der braucht morgen weder Gesetze, Steuern, den Ärger seiner Stakeholder noch die Konkurrenz zu fürchten.